By the way 157 - Verwunderung über Völler, Verzweiflung am VfB, und warum darf Brehme nicht auch zu Bayer?
Der VfB Stuttgart quasi Droge: Man geht immer wieder hin, das volle Stadion vor dem Anpfiff elektrisiert wie der erste Zug an der Kippe, und trotzdem weiß man schon vorher genau, dass es einem nachher noch schlechter geht. Partielle Unfitness und spärliches Haupthaar sind wahrscheinlich die jetzt immer deutlicher zu Tage tretenden Folgen der dunklen Jahre seit 2007. Aber auch wenn mittlerweile noch der letzte Phantast begriffen hat, dass der Kader eben doch nicht „eigentlich zu gut für da unten“ ist: In Hannover und gegen Hertha jeweils ein Sieg, und schwupps ist zumindest die Relegation gegen den KSC wieder drin. Hoffnung, dass die anderen noch schlechter sind. Gleichzeitig aber dauerpräsent die Erkenntnis, dass sie zwar wollen, es aber einfach nicht besser können. Denn real war die 2:3 Niederlage gegen den BVB ein 1:5, verhindert nur dadurch, dass die Gelben ihre Konter nun wirklich fast so dämlich ausgespielt haben, als wären sie der VfB. Herr Reif spricht von „Agonie“ – klar ist der überrascht, kommentiert ja sonst nur bessere Mannschaften. Und den nächsten, der behauptet, das Stuttgarter Umfeld sei ein Schwieriges, den fahr ich mit dem Auto an. Wir jubeln uns hier direktemeng in die Zweite Liga, Fans und Spieler Arm in Arm.
Mehr Verwunderung als Verzweiflung dann beim sonntäglichen Sky90. Der Mola Adebisi-Verschnitt und der minderer Begabte der beiden Hoenesse gewohnt sinnfrei daherlabernd (beide ja folgerichtig ohne aktive Vereinsfunktion), aber eben auch Rudi Völler wieder dabei, dessen Wirken bei Bayer 04 Leverkusen mir, wäre ich ein Comic, höchstens ein Fragezeichen, meistens aber nur eine komplett leere Sprechblase über dem Kopf erscheinen ließe. Aktuell favorisiere ich als Erklärung des Völler-Phänomens die Variante, dass in den unendlichen Weiten des Bayer-Konzerns eine Abteilung „therapeutisches Sportdirektorentum für alltagsuntaugliche Weltmeister“ eingerichtet wurde, möglicherweise aus steuerlichen Gründen. Und die Mitglieder der großen Fußballfamilie begegnen Menschen wie dem Rudi dann ganz natürlich, als wären sie Pferde oder Delfine, da darf er sich ausleben in dem Gefühl, ernst genommen zu werden. Frage nur: Warum ist kein Platz für Andreas Brehme frei in dieser Einrichtung, und warum ist Bayer noch immer nicht als gemeinnützige Organisation anerkannt? Und natürlich: Warum verpasst niemand dem Rudi mal einen ordentlichen Haarschnitt? Aber, da unterscheidet sich der Pillenriese dann wahrscheinlich auch nicht groß vom Rest der Welt – an allen Ecken und Enden muss gespart werden, Rudis verbliebene Betreuer sind bei himmelschreiender Unterbezahlung massiv überlastet, der Krankenstand ist hoch, weitere Betreuungsplätze sind nicht drin. Der Pflegenotstand macht vor dem Fußball nicht halt. Ach, wenn doch mehr Leute diese Insights hätten, dann wäre Verständnis da für die Forderung der Liga nach noch viel mehr Geld. Und so will ich ihnen zum Ende dieses Textes ein Bild evozieren: Andy Brehme weinend an Rudi Völlers Schulter nach dem Saisonfinale 1995/96. Da werden Steine weich, warum nicht auch der Bayer-Konzern?