By the way 293 – Diesel statt Dietrich
Heute dürfen Sie, liebe Leser, sich immer mal wieder über literarisch wertvolle Einschübe freuen. „Versonnen schaut Christian Prechtl seinem eigenen Rauchring hinterher“ etwa. Oder auch: „Mit der heruntergerauchten Kippe entzündet Prechtl sich gleich die nächste Zigarette.“ Weil derzeit muss ich in der Tat viel rauchen. Zur Entspannung, oder wenn ich mich mal wieder aufgeregt habe. Oder einfach aus Freude darüber, dass ich rauchen darf. Ist ja keine Selbstverständlichkeit, dass ich rauchen darf. Wo ich ja angeblich bald nicht mal mehr einen Diesel fahren darf. Zumindest keinen, der älter ist als ca eine Woche. Und mindestens fünf Plaketten hat, die mich wenigstens berechtigen, hin und wieder meine Mutter in Stuttgart zu besuchen.
Wahrscheinlich wissen es viele Politiker, Medien und Lobbyisten halt einfach besser: Nicht das Nikotin, der Diesel bringt uns alle um. Größte Gefahr. Muss verboten und platt gemacht werden. Dass die Vorreiter dieser Kampagne, die Deutsche Umwelt Hilfe, seit Jahren von Toyota gesponsert werden und deren Technologien quasi mit dem Holzhammer in die Diskussion hämmern – geschenkt. Dass die Autos nur einen winzigen Anteil an all den bösen Emissionen verursachen – geschenkt. Dass der Diesel bei manchen Emissionswerten bessere Werte erzielt als Benziner – geschenkt. Kreuzfahrtschiffe, Holzöfen – geschenkt. Da interviewen wir doch lieber mal schnell eine 2014 erst zugezogene Anwohnerin der Stuttgarter Neckarstraße, die sich sächselnd über schlechte Luft beklagt und hoffnungsvoll dem Diesel-Fahrverbot entgegensieht. Weil Diesel gleich böse. Und das heißt jetzt nicht, dass ich generell gegen neue Technologien wäre. Habe mir schon vor einigen Jahren in Amsterdam sagen lassen, die geilen Karren, die da überall rumfuhren, das seien Teslas. Aber als ich dann letztens mal gefragt habe, ob in unserem Haus mit ganz vielen Wohnungen eigentlich geplant wäre, Ladestationen in der Garage zu installieren, da hieß es: Wenn mehr als sechs Leute gleichzeitig da nachts ihre Elektroautos laden, dann bricht quasi in der ganzen Stadt die Stromversorgung zusammen, weil die Stromversorger solche Peaks nicht abkönnen. Was soll man da sagen, bitteschön?
Ich rege mich ja auch gar nicht darüber auf, dass eine weltweit führende, bestens erprobte und keineswegs sofort tödliche Technologie aus Deutschland von anderen, im Sektor konkurrierenden Nationen, wie sagt man, gedisst wird. Normale Härte das. Worüber ich mich aufrege ist, dass die Leute in Deutschland sich allzu bereitwillig und geradezu vorauseilend dem Diss der anderen anschließen, weil sie nix denken und sich also gedankenlos den Müll reinpfeifen, der ihnen im Zuge geplanter Kampagnen dubioser Abmahnvereine ins Hirn geblasen wird wie eine Windböe am Neckartor. Da werd ich geradewegs zum Kretschmann, der eine Hofreiter-Rede kommentiert.
Dass nie jemand checkt, warum einzelne Gruppen was machen. Dass immer Eigeninteressen der Antrieb (haha) sind und fast niemals irgendwelche hehren unscharfen Motive wie „die Umwelt“ oder „die Menschen“. Und natürlich reg ich mich auch drüber auf, dass das leider von vielen Millionen Menschen gewählte braune Pack sich flugs zum Retter des deutschen Diesels ernennt und versucht, damit Stimmen zu fangen. Weil allein das ja wiederum dazu führt, dass mindestens manch Einer, der sehr wohl verstanden hat, dass es beim Diesel nur um Kohle (schon wieder haha) und nicht um Karzinome geht, sich allein deshalb aus der Diskussion einfach raushalten wird. Man will ja nicht mit den Unpersonen von ganz rechts außen in einen Auspufftopf geworfen werden.
Jetzt erstmal eine Zigarette. Schmeckt zwischen zwei Schnäpsen und einem Espresso mit vier Löffeln raffinierten Zuckers immer besonders gut. Und hilft darüber hinweg, dass ich ja eigentlich viel eher über VfB-Präsident Dietrich schreiben sollte als über Diesel. Nur gibt’s halt leider über Dietrich grade nix zu schreiben, denn der VfB gewinnt ja nur noch. In der Trendtabelle vor dem FC Bayern, da ist man als Fan ja geradezu hin und hergeworfen zwischen den Extremen, die da lauten: CHAMPIONS LEAGUE, also in Großbuchstaben, und Abstiegsangst. Genau wie 2016, als man am Ende, Sie erinnern sich, runter musste.
Aber bloß weil ich meinem Verein nicht den Abstieg wünsche sondern im Gegenteil heilfroh bin, wenn wir die Klasse halten, so heißt das noch lange nicht, dass ich dem Präsidenten die Füße küssen werde, wenn er im Sommer auf der Mitgliederversammlung einreiten wird wie Hernan Cortéz bei den Azteken. Wenn er den voraussichtlich wenigen aber umso lauter jubelnden Mitgliedern die Millionen des neuen Investors von sonstwo her und mindestens Neuzugang Sebastian Rudy präsentieren wird, flankiert von zwei Mexikanern.
Wer Erfolg hat, bei dem wird die Lüge zum Kavaliersdelikt. Da wird die Reschke-Abschiebung aus München zum großen Transfercoup, der regional verwurzelte Partner zum Fonds. Da wird die Softwarefirma blitzsauber und kerngesund übergeben, und sogar das große Bahnhofsprojekt bleibt hundertprozentig im Zeit- und Kostenplan. Und woher die Millionen für den Einstieg in den Sportrechtehandel eigentlich kommen, danach fragt niemand. Denn der VfB ist (dann hoffentlich) nicht wieder abgestiegen, und für einen Aufsteiger ist der Klassenerhalt ein Erfolg. Nicht auszudenken was passiert, wenn wir wieder Champions League spielen. Am Ende wird aus dem Manager noch ein Menschenfreund, und das schreib ich nur, weil mein Anwalt mir „vom Gangster zum Gutmenschen“ untersagt hat. Und die literarisch wertvollen Einschübe hab ich jetzt ganz vergessen...