By the way 190 - von Bildung und Bomben und der Frage, ob wir alle liberale Pussies sind...
Es ist gut möglich, dass die folgende Metapher schon zig Mal an anderer Stelle verwendet wurde. Trotzdem möchte ich mit ihr beginnen, weil jetzt schon wieder viele nach der Totalüberwachung rufen und unser Superpressekonferenzveranstalter und menschenberuhigender Innenminister wahrscheinlich genau daran mit Eifer arbeitet: Wenn die Geheimdienste die Nadel im Heuhaufen suchen, dann sollten sie nicht unbedingt noch viel mehr Heu auf den Haufen werfen. Und wenn es konkrete Verdachtsmomente gibt, dann gibt es auch die Erlaubnis, diesen Verdachtsmomenten nachzugehen. Mal ganz abgesehen davon, dass Geheimdienste vor dem Spionieren ohnehin eher selten zuerst Ausschüsse und Parlamente voller geschwätziger Profilneurotiker um Erlaubnis fragen. Müssten sich ja sonst umbenennen, die Geheimdienste, quasi öffentlicher Dienst. Und wenn das friedensnobelpreisgekrönte Europa überhaupt irgendwelche gemeinsamen Werte hat, dann ja wohl solche wie Toleranz, Demokratie, persönliche Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Tatsache, dass man sich hierher flüchten kann in großer Not. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer jetzt also „Grenzen zu“ ruft und noch weitergehende Maßnahmen fordert, der unterliegt der Perversion, Europas Werte erhalten zu wollen, indem er diese abschaffen will. Gleiches gilt auch für diejenigen, die jetzt die in Europa lebenden Muslime als potentiell verdächtig bezeichnen. Und das heißt nicht, dass an unseren Schülern Lehrerinnen in Burkas unterrichten sollen.
Währenddessen wird wild bombardiert. Der IS bombardiert diese und jene, Frankreich bombardiert den IS, Russland bombardiert Assad-Gegner, die Türkei bombardiert vornehmlich gegen den IS kämpfende Kurden. Natürlich geht es niemals darum, irgendjemandem außer sich selbst zu helfen. Mehr Einfluss, mehr Öl, mehr Militärbasis, mehr seltene Erden, you name it. Und die Frage, wie und warum Organisationen wie Al Qaida oder der IS überhaupt entstanden sind, möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht stellen. Trotzdem, trotz dieses ganzen Elends an US-finanzierten Terrorbanden, französischen, chinesischen und quasi weltweiten Verstrickungen in ausnahmslos jedem Krisenherd weltweit, besteht ein Funken Hoffnung. Darauf, dass die letztens in Wien versammelten Granden inklusive der Saudis und Iraner endlich bereit sind, eine gemeinsame diplomatische Lösung zumindest der allzu lichterloh brennenden Krisenherde in Nahost herbeizuführen. Sei es nur aus Eigeninteresse. Denn ohne eine solche gemeinsame Linie wird das nichts bzw. eher noch weiter aus dem Ruder laufen.
Und langfristig helfen neben klaren Regeln und strikter Ahndung von Vergehen vor allem Bildung und Perspektiven. Heißt zwar nicht, dass man die Beteiligung eines gebildeten Menschen an Terrorakten komplett ausschließen kann – aber das junge Leute, die einen halbwegs ausfüllenden Job und auch sonst ein Mindestmaß an Aussicht auf ein lebenswertes Leben haben, dass solche Leute eher nicht unter dem Gesetz der Scharia leben und auch nicht mit den IS-Versprechungen nach Weibern und Reichtum geködert werden wollen, das möchte ich doch mal ganz stark annehmen. Wie blauäugig dieser Langfristplan ist, weiß ich selbst. Da sind auch noch viel zu viele Fragen, die ich einfach nicht beantworten kann. Eine bekannte Fernsehnase hat gleich 100 davon formuliert. Auch die Behauptung, die meisten Syrer flöhen nicht vor dem IS sondern vor Assads Fassbomben, lässt mich einigermaßen ratlos zurück. Vielleicht bin ich, sind wir alle ja nur liberale Pussies, die sich nicht trauen, energisch zu werden. Appeasement Hilfsbegriff. Vielleicht sollte man eher sagen: Die einen die Ukraine, die anderen Syrien. Und in Afrika und sonstwo wieder Kolonien. Oder die Saudis absetzen? Und keine Waffenexporte mehr, jeder produziert nur noch für sich? Es ist kompliziert. Aber wir sollten unbedingt weiter dranbleiben...