By the way 226 – Transparenz a la VfB Stuttgart inkl. Demokratisierungspaket a la Wolfgang Dietrich..

Die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart am 9. Oktober rückt näher, und wie angekündigt tut der Verein im Vorfeld alles, um eine Atmosphäre größtmöglicher Transparenz zu erzeugen. Dazu gehört unbedingt, dass der Aufsichtsrat einen aus seiner Sicht „optimalen“ Kandidaten für das Präsidentenamt zur Wahl vorschlägt, der Wochen nach der Kür erst mal von mehreren Posten in mehreren seiner Firmen zurücktreten muss, um überhaupt der Vereinssatzung (und höchstwahrscheinlich auch den Ansprüchen der DFL) formal genügen zu können. Dazu gehört natürlich auch, dass der Kandidat zunächst einmal den Weg eines mehr als schwammigen BILD-Interviews wählt, um dem Wahlvolk seine Sicht der Dinge zu erläutern. Selbstredend sagt er weder darin noch sonstwo irgendetwas Brauchbares über die Verflechtungen seiner zahlreichen Firmen und unzähligen Tochterfirmen, ganz zu schweigen von den Anteilen, die er bis heute an den Firmen hält oder nicht hält. Firmen im Übrigen, deren Führung und Kontrolle jetzt halt sein Sohn inne hat. Zurückgetreten, raus aus dem Handelsregister, das läuft schon, Wolle, damit können wir das Ding durchziehen.

In einem VfB-Interview redet der Kandidat dann davon, dass eine Stärkung der Mitgliederrechte neben der Ehrenamtlichkeit seine Hauptbedingung für die Kandidatur war, und dass die „Mitglieder bereits am 9. Oktober über ein umfassendes Demokratisierungspaket abstimmen können, das ihnen ein deutlich umfassenderes Mitspracherecht ermöglicht“.

Keine Ahnung, was es mit diesem aus genau EINEM Kandidaten und KEINEM Gegenkandidaten bestehenden Demokratisierungspaket auf sich hat, vom Verein vorgeschlagene Vereinsbeiräte wählen oder in irgendeinem Alibi-Mitgliederausschuss rumsitzen, – und ab sofort auch keine Zeit mehr, das berauszufinden. Denn mit der Einladung zur Mitgliederversammlung sendet der VfB seinen geschätzten Mitgliedern, ganz im Sinne größtmöglicher Transparenz, auch den Entwurf für eine laut Tagesordnung dortselbst zur Abstimmung gestellte neue Version der Vereinssatzung, die auf gut 20 DIN A4-Seiten über weite Teile wie folgt daher kommt:

„(...) 6.5. Der Vorstand beschließt mit einfacher Mehrheit der erschienenen Mitglieder. Bei Stimmengleichheit

entscheidet der Präsident oder der jeweilige Vorsitzende. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats und ein

Stellvertreter sind berechtigt, an den Sitzungen des Vorstandes ohne Stimmrecht teilzunehmen. 7. Der

Präsident kann nur aus wichtigem Grund und nur durch die Mitgliederversammlung abberufen werden. Der

Beschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Die übrigen nicht

hauptamtlich tätigen Mitglieder des Vorstandes können nur aus wichtigem Grund durch den Einem

entsprechenden Antrag ist eine schriftliche Begründung hinzuzufügen, anderenfalls ist der Antrag unzulässig.

Für die Entscheidung über die Aufnahme des Antrags auf die Tagesordnung ist abweichend von § 14 Absatz 2

Satz 3 der Aufsichtsrat abberufen werdenzuständig. Wird der Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, soll die

Tagesordnung auch eine Stellungnahme des Präsidenten und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu dem

Antrag und seiner Begründung enthalten. Die Abberufung hauptamtlich tätiger Vorstandsmitglieder kann

Die übrigen Mitglieder des Vorstands können unbeschadet der Ansprüche des betroffenen

Vorstandsmitglieds aus dem Anstellungsvertrag jederzeit, jedoch nur im Einvernehmen mit dem Präsidenten,

durch den Aufsichtsrat abberufen werden erfolgen, unbeschadet der Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag

des betroffenen Vorstandsmitglieds (...)“

Also ich finde das in allerhöchstem Maße lobenswert, dass der Verein hier in (leider aufgrund mangelnder Flexibilität meines Content Management Systems und Erkrankung ausgerechnet desjenigen CMS-Spezialisten, der das kurzfristig beheben könnte, nicht zu sehenden) schillernden Blau-, Gelb-, Rot – und Schwarztönen, Durch- und Unterstreichungen alle alten, neuen, verschobenen und weggeschobenen Textpassagen ganz transparent kenntlich macht. Über 20 Seiten. Soll ja Keiner kommen und sagen, er hätte nicht gewusst, man habe ihm gar nichts gesagt uswusf. Und wer keinen findigen Anwalt oder nicht die Zeit und Muße hat, diese 20 Seiten auf eklatante Änderungen zu durchstöbern, tja, dem ist halt leider auch nicht zu helfen. Dieses Engagement kann man ja wohl mindestens erwarten von Mitgliedern, die ihren Verein lieben, ihm furchtlos und treu zur Seite stehen. Und deshalb lasse ich jetzt gleich alles stehen und liegen und arbeite mich durch die neue Satzung. Und entdecke darin so interessante Sachen wie einen Paragraphen, der besagt, dass auch ehrenamtliche Funktionsträger durchaus eine Bezahlung erhalten können. Und dass schon ab 16 gewählt werden darf (VfB-Nachwuchsteams aufgepasst, der Verein setzt voll auf Euch und Eure Stimmen!). Und dass unliebsamen Rednern auf der Mitgliederversammlung nach Gutdünken das Wort entzogen werden kann. Und wie das mit den Rechten zukünftig sein soll und mit den Pflichten, und welche Fristen wofür gelten undundund.

Die ganz großen Kröten in dieser neuen Version der Satzung habe ich sicherlich noch gar nicht erst entdeckt. Weil ich halt doch nicht einfach alles liegen und stehen lassen kann. Und wahrscheinlich auch viel zu kleingeistig bin, um den ganz großen Transparenzbogen zu erkennen, den die VfB-Führung hier schlägt. Mit Facebook Ads, die mich auffordern, die obskure Gruppe „Für Wolfgang Dietrich als Präsident“ zu liken. Mit Bussen voller Bergarbeiter Mitglieder, die als Stimmvieh aus den entlegensten Winkeln des Landes herangekarrt werden wie beim Putin.

Aber eines erkenne ich ganz klar: Eine Vereinsführung, die den Verein in die zweite Liga geführt hat und nicht etwa voller Demut am Wiederaufstieg arbeitet sondern im Stile eines Bananenrepublik-Despoten den Opportunismus einfach noch weiter hochdreht, die gehört schleunigst vom Hof gejagt. Der Aufsichtsrat vorneweg. Und es ist eine Schande, dass diese Leute trotz seit Jahren fehlender Entlastung durch die Mitglieder immer noch am Ruder sind.