By the way 230 – Gedanken zur anstehenden Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart...

Am kommenden Sonntag soll also Wolfgang Dietrich zum neuen Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt werden. Wobei „wählen“ ja nun in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig ist – denn eine Wahl zwischen mehreren Kandidaten haben die Mitglieder ja gar nicht. Aber wozu braucht man auch eine Wahl, wenn der einzige Kandidat laut Aufsichtsrat des Vereins „optimal“ ist? Zur optimalen Lösung braucht man doch keine Alternative. So optimal ist der Kandidat offenbar, dass er nicht hauptamtlich agieren soll, sondern das Ganze im offiziell unbezahlten Ehrenamt erledigen soll. So optimal ist dieser Kandidat, dass die DFL viele Wochen für die Feststellung brauchte, dass er den Maßgaben der Liga genügt.

Dietrich selbst will Demokratisierungsprozesse im Verein durchsetzen und Transparenz schaffen. In diesem Zusammenhang sind dann wohl auch die Unterlassungsklagen zu sehen, mit denen sein Sohn Christoph zuletzt um sich schlug. Hat da etwa ein vorwitziger Journalist im Konjunktiv angedeutet, Wolfgang Dietrich hielte 20% der Anteile an einer Firma, die er lange führte und der jetzt sein Sohn vorsteht? Oder gar, dass Dietrich Senior in den maßgeblichen Firmen nach wie vor den Kurs mitbestimmen könnte? So Einen gilt es ganz demokratisch gleich mal mundtot zu machen. Dass man, wie zu hören war, gegen den Journalisten bzw. dessen Zeitung zwar zwölf Punkte beklagte, aber nur zwei davon durch bekam, das tut da nichts zur Sache. Sonst käme ja noch einer drauf, dass von zwölf Behauptungen zu Dietrichs Firmenverflechtungen zehn richtig sind. Sonst könnte man ja annehmen, dass Vater und Sohn Dietrich hier weiterhin gemeinsame Sache machen. Nein, nein – allzu demokratisch soll es nicht werden, dafür sorgt jetzt ja auch Dietrichs schillernder Anwalt Joachim Steinhöfel. Diesen vor einigen Jahren vorwiegend als „TV-Pöbler“ bezeichneten Anwalt, Blogger, Moderator, Schauspieler und PR-Menschen kennt man unter anderem aus alten Media Markt Werbespots, und er selbst kämpft gerne auch mal öffentlich für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Um es mal mit Steinhöfel zu sagen: „Wer nicht vergleicht ist blöd“, und daher kann man sich doch ohne allzu viel Phantasie durchaus vorstellen, dass da in bester Schickhardt-Tradition die nächste super-seriöse Super-Truppe dabei ist, das Ruder beim VfB zu übernehmen und den Verein für lukrative Geschäfte zu nutzen. Und wenn man den hartnäckig sich haltenden Gerüchten glauben darf, wird Gunter Barner, der Doyen der Stuttgarter Nachrichten in Sachen VfB-Hofberichterstattung, als Dietrichs neuer VfB-Pressechef des Präsidenten Tun dann in den allerschönsten Worthülsen unters Volk bringen.

Leitende Mitarbeiter und auch die Aufsichtsräte des VfB sollten sich schon mal warm anziehen für den Fall, dass Dietrich gewählt wird (Degerloch lässt grüßen). Und die Mitglieder sollten sich nicht blenden lassen von der aktuellen Kampagne. Denn Demokratisierung a la Dietrich heißt, sich als Präsident der Weisungsbefugnis des höchsten Organs des Vereins, der Mitgliederversammlung, bei Fragen einer möglichen Ausgliederung per Satzung zu entziehen (zur Abstimmung stehende Satzungsänderung §20 Abs.1) und auch, sich per Satzung absichern zu wollen, dass er als Präsident während der Amtszeit nicht mehr per Antrag durch die Mitglieder abgewählt werden kann ( § 19 Abs.5.). Das, liebe Mitglieder, ist also der optimale Kandidat, den Ihr wählen sollt.

Und wen Ihr nicht abwählen sollt, das ist der Aufsichtsrat. Der in personam Martin Schäfer geradezu täglich im Großformat in den ach so kritischen Stuttgarter Medien erscheint, dargestellt als ein Superheld, der zehn Kilometer unter Wasser läuft und trotzdem noch Staub an den Stiefeln hat. Einer der sagt, die Mitglieder sollten den Verein nicht in Schutt und Asche legen. Er meint damit wohl den Verein, dessen erste und zweite Mannschaft unter seiner aktiven Führung aus der ersten bzw. der dritten Bundesliga abgestiegen sind. Sollte es von so einem tollen Hecht nicht passend zur Berichterstattung gleich auch noch einen Starschnitt geben, wie früher vom Hansi Müller in der Bravo? Klar, solche Leute sollte man weiter machen lassen. Ihren Drohungen glauben, ohne sie wäre alles vorbei.

Was wirklich vorbei ist ohne diese Leute, dass ist die Zeit, in der der VfB mit einer Mischung aus Arroganz und Inkompetenz in den Abgrund gesteuert wurde. Neue Leute werden kommen. Seriöse, angesehene Leute, den VfB im Herzen, und demütig genug, zu wissen, was sie können und was nicht. Leute, die nicht getrieben sind von den Reaktionen der Medien auf ihr Handeln oder Nicht-Handeln. Leute, die einen Dutt niemals eingestellt hätten. Leute, mit denen wir nicht abgestiegen wären. Das, liebe Mitglieder, solltet Ihr bei all der auf Euch einprasselnden Propaganda nicht vergessen. Aber damit diese neuen Leute kommen können, dazu muss man die Alten zunächst mal loswerden. Und wer ganz konkret sehen will, wie so etwas funktioniert, der schaue sich mal die jüngere Geschichte des 1. FC Köln an. Da ist gut zu sehen, was die richtigen Leute auf den richtigen Posten bewirken können, wenn sie sich auf das beschränken, was sie können. Eine Beschränkung, die der aktuelle Aufsichtsrat des VfB in seiner gesamten Amtszeit nicht eine Sekunde praktiziert hat – und die er wohl auch in Zukunft keine Sekunde praktizieren wird.

Zum Schluss ganz ohne Überleitung, und damit niemand denkt, hier würde alles in einen Topf geworfen: Vielen Dank an Mannschaft, Trainerteam und Sportvorstand. Die erste Halbzeit gegen Fürth war super. So was hat man in der Tat schon lange nicht gesehen.