By the way 254 – so was hat man lange nicht gesehen?
Manchmal, da weiß ich auch nicht. Zum Beispiel bei der Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart, wenn die Anwesenden mit deutlicher Mehrheit für die sofortige Beendigung des Tagesordnungspunktes „Allgemeine Aussprache“ stimmen. Oder den Punkt „Abwahl des Aufsichtsrates“ nicht mal auf die Tagesordnung lassen. Oder auch Robin Dutt in großer Zahl applaudieren, wenn der vom Podium runter lügt, dass sich die Balken biegen. Oder, um nicht zurück sondern nach vorne zu schauen: Da sagt einer vom VfB „wir gliedern aus und kriegen 100 Millionen“, und dann hüpfen viele Leute schon wieder hoch vor Freude und finden das geil. Bloß weil der Finanzvorstand sagt, wir kriegen 100 Millionen. Beziehungsweise er sagt „wir wollen 100 Millionen kriegen“. Kleiner, feiner Unterschied. Weil, kann er ja viel sagen. Ich zum Beispiel will ja auch jede Menge. Aber ob ich’s kriege?
Und am Sonntag beim Derby, VfB gegen KSC, da wusste ich auch nicht. Weil plötzlich sangen alle „Oh wie ist das schön“. Und dann ging die Welle durchs Stadion. Ich unterstelle mal das war ausschließlich, weil der VfB zweinull vorne lag. Und der KSC wohl absteigen muss. Weil wir das Zepter haben und die den Fächer. Und so weiter.
Wenn die aber gesungen und La Ola gemacht haben, weil sie das Spiel des VfB so schön fanden, dann muss ich mich fragen, ob die nicht alle Latten im Zaun haben oder ich. Denn ich finde, der VfB kickt jede Woche noch schlechter. Die einzigen wirklich starken, begeisternden Auftritte, an die ich mich in dieser Saison erinnern kann, waren die erste Halbzeit gegen Fürth (Hinrunde) und die zweite Halbzeit gegen Dresden (Rückrunde). Gegen Fürth führte der VfB nach wenigen Minuten schon 2:0, und gegen Dresden, Sie wissen schon, kam man zurück nach einem 0:3. Ansonsten: Gewürge und Gezitter und Terodde. Truppe super leicht zu verunsichern, wer denen nur halbwegs Dampf macht, der macht das Spiel. Nichts, was da einstudiert aussähe, keine vielmals geübten Abläufe und Automatismen, nur Stückwerk, Improvisation, schlechte Improvisation. Und trotzdem werden unser Trainer und unser Sportvorstand weiterhin mit großer Inbrunst heiligengleich verehrt. Realitätssinn weiterhin Fehlanzeige.
Nix dagegen, den verantwortlichen Zeit zu geben. Möglicherweise muss man unseren Verantwortlichen sogar sehr viel Zeit geben. Aber mittlerweile sind ja weder Trainer noch Vorstand mit einem Kader geschlagen, den sie so überhaupt nicht wollten. Mittlerweile konnte Schindelmeiser verpflichten und leihen und tun und machen, und Wolf konnte üben und einstudieren und ausprobieren. Und wenn er dann vor dem Spiel sagt, Unsre gingen mit Wut im Bauch ins Spiel, dann kicken sie wie in Würzburg oder bei 1860. Und wie gesagt: Gut kicken tun sie quasi nie. Unser Kader, der doppelt so viel wert ist wie die anderen Kader (Ausnahme Hannover), der ist nicht ein einziges Mal rausgegangen und hat so gespielt, dass man denkt: Die wollen es jetzt. Die wollen denen die Hütte vollhauen, die nageln die hinten rein und besorgen es denen richtig. Barcelona Hilfsbegriff, die Zweitligaversion, versteht sich. Aber nix von alledem. Gegen Karlsruhe, es steht 2:0, unsere stehen hinten drin und kriegen den Ball – und bleiben hinten drin. Der Trainer renkt sich an der Seitenlinie fast den Arm aus, die Trantüten hinten rauswinkend – aber nix. Es wird schön brav hinten geblieben. Und so was hat man lange nicht gesehen?
Wird sicher besser, wenn wir aufsteigen und ausgliedern. Mit unseren 100 Millionen. Ganz bestimmt. Weil dann baut Schindelmeiser erstmal richtig geile Nachwuchstrainingsplätze. Weil unser Nachwuchsleistungszentrum, das vom DFB volle Punktzahl erhalten hat, seinen Aussagen zufolge nicht mehr zeitgemäß ist. Und weil eben wegen der schlechten Trainingsplätze keine Talente mehr zum VfB kommen. Sagt er. Und meint es, ich weiß auch nicht, ernst? Und die Leute glauben es ihm, weil er kann ja echt gut reden, der Slim. Dass die guten Talente dahin gehen, wo die guten Trainer sind, das hat er nicht gesagt...