By the way 302 – thematische Abschweifung bis hin zum zweitbesten „In-Play-Coach“, denn der VfB hat eine Bombensaison gespielt...
Wer einmal länger in Madrid lebt und den Fußball liebt, der entwickelt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine innige Beziehung zum FC Barcelona. Da landet man bei Real oder Atletí, je nachdem, wohin einen das Leben und die Freunde führen. Bei mir wurden es damals die Weißen, immerhin mit Ex-Stuttgarter Kickers-Junior Robert Prosinecki, mit meinem immer noch Lieblingsspieler Fernando Redondo, mit Ivan Zamorano, el joven Raúl und anderen. Und natürlich ist auch das Estadio Santiago Bernabeu ein ordentliches Pfund. Seitdem bin ich, was die Fußball-Welt außerhalb Deutschlands betrifft, Fan von Real Madrid, dem größten, besten und sonstwas Club aller Zeiten und Welten.
In der Nachbetrachtung war das durchaus kein Selbstläufer, denn auch der große Stadtrivale Atlético Madrid hatte eine ganze Menge zu bieten. Das fing beim fast schon morbiden Charme des Asozialen an, der dem Club und seinem Stadion am Manzanares anhaftete, und das endete beim aus Entertainment-Aspekten zweifelsohne großartigsten aller Präsidenten, dem dicken Bürgermeister („Alcalde“) von Marbella, Jesus Gil y Gil., der die allesamt filmreifen Bauunternehmer und sonstigen Halbgangster an der Spitze der spanischen Vereine nochmal deutlich in den Schatten stellte. Daher bis heute bei mir quasi gesteigertes Interesse an den Rojiblancos, aber klare Nummer Eins die Weißen. Wenige Jahre später noch dadurch zementiert, dass mein erster Job hauptsächlich aus der PR für den damaligen Real-Hauptsponsor inkl. Stadionbesuchen, Pokal anfassen etc. bestand – Fußballherz, was willst Du mehr.
Nun hoffe ich, Sie mit diesem kleinen Ausflug in die private Fußball-Vergangenheit nicht gelangweilt zu haben. Geplant war vielmehr, zum Thema Champions League-Finale hinzuleiten, zu erklären, warum ich mich schon ziemlich drauf gefreut hatte. Außerdem sind grade Ferien, der VfB hat eine Bombensaison gespielt, da kann man schon auch mal ein wenig abschweifen, thematisch.
Also: Real gegen Liverpool am Abend eines Tages voller Sonne, eines Grills voller Bürgermeisterstückchen, eines Kühlschranks voller Rosé. Auch Klopp natürlich wesentlicher Bestandteil des Pakets, man mag ihn hassen, aber wie er die Menschen auch in England einfängt, wie er seine Mannschaft führt, das sollte auch den eingefleischtesten Hatern zumindest großen Respekt abnötigen. Den Mega-Hype um Mo Salah konnte und kann ich zwar bis heute nicht so ganz nachvollziehen, aber es fehlt mir nur ein kleines Stückchen bis zum ganz. Denn ein irrsinnig geiler Kicker ist der natürlich schon, in einer Mannschaft mit weiteren ziemlich guten Spielern wie Firminho oder Mané. Da war Spannung angesagt, da war ganz explizit auch Spannung angesagt hinsichtlich der Frage, wie Reals Ramos die Sache mit Salah angehen würde. Sergio Ramos ist aus meiner bescheidenen Warte der beste Innenverteidiger der letzten zehn Jahre. Bereits 2005 zahlte Real die für damalige Verhältnisse für einen Abwehrspieler aberwitzige Ablösesumme von fast 30 Millionen Euro an den FC Sevilla. Ramos ist in der Defensive das, was Zlatan Ibrahimovic und Robert Lewandowski zusammen in der Offensive sind. Erfolgreiche saugute Arschlöcher, die brutal austeilen, gerne hinterrücks, die provozieren, sich fallen lassen, aber die eben auch fantastisch spielen.
Dass Ramos sich also im Guten wie im Bösen von seiner stärksten Seite zeigen würde, das war vor diesem Champions League Finale irgendwie zu erwarten. Allerdings sorgte er bzw. es leider auch dafür, dass ich mich über dieses Finale nur bis zu dem Zeitpunkt freuen konnte, als er Salah aus dem Spiel nahm, Verletzung des Gegners zumindest mehr als billigend in Kauf nehmend. Was danach kam, war halt alles irgendwie scheiße, bis auf wenige Minuten nach dem Ausgleich. Und bis auf die Tatsache, dass Zinedine Zidane mit der Einwechslung von Gareth Bale seinen Ruf als nach Tayfun Korkut zweitbester so genannter „In-Play-Coach“ zementierte. Klar, Spieler wie Donis oder Bale musst Du erst mal auf der Bank haben. Aber diese Spieler zum richtigen Zeitpunkt zu bringen, dass muss man halt können. Und zumindest einmal muss ich ja wohl auch den VfB Stuttgart in diesem Text bringen, Sie verstehen das sicherlich.
Abschließend und im Übrigen behaupte ich, dass Real auch ohne die Verletzung des Mo Salah den Titel gewonnen hätte. Wäre besser gewesen, hätte man sich mehr freuen können. Hätten sich die vielen Bayern-Fans auch weniger aufregen müssen.
Ab sofort regen wir uns aber erst mal nicht mehr über Vereine auf. Ab sofort regen wir uns nur noch über die Nationalmannschaft auf. Oder freuen uns drüber...