By the way 355 – Rundumschlag fühlt sich richtig an. Auch ohne VfB...
Gestern hatte ich Geburtstag und war, wie jeden Dienstag und Donnerstag seit dem 1. Dezember, in unserer BALLWALL-Ausstellung. Museumswärter Hilfsbegriff. Die Vorbereitungsklasse der Schwetzinger Karl-Friedrich-Schimper-Gemeinschaftsschule kam zu Besuch, der städtische Integrationsbeauftragte war dabei, und es fühlte sich gut an. Denn vor genau einem Jahr, zu meinem 50. Geburtstag, war dieses ganze BALLWALL-Projekt ja erst richtig losgegangen. Große Party mit Pogo, Pauken und Trompeten, und mit der Bitte, statt Geschenken das Projekt mit einer kleinen Spende zu unterstützen.
Gespendet wurde fleißig, vielen Dank. Und das Projekt wurde größer und größer, mit Uwe Gensheimer als Schirmherr, mit Ausstellung und Buch und Fernsehen und Minister und Oberbürgermeister, und am letzten Tag des letzten Jahres sogar mit einem Artikel im Spiegel, der leider erst am späten Nachmittag erschien, wo die meisten Leute schon betrunken waren.
Ich war da nicht betrunken – und ich war ziemlich stolz. Ein toller Artikel war das, und alles fühlte sich richtig an. Obwohl das BALLWALL-Projekt, obwohl das letzte Jahr insgesamt eher ein Jahr des Drauflegens war. Trotz vieler toller Unterstützer musste draufgelegt werden. Finanziell und gesundheitlich. Musste halt fertig werden, das Projekt. Das Buch. Die Ausstellung. Und fühlt sich, trotz Drauflegens und mittlerweile nicht mehr ganz so hohen Blutdrucks weiterhin gut und richtig an, sehr gut sogar, und sehr richtig. Auch ohne Kippe, übrigens.
Die Ausstellung in Schwetzingen wird zum 31. Januar beendet, aber das mit dem „sich richtig anfühlen“, das geht weiter. Alles halt ein wenig weniger hektisch und wichtigtuerisch angehen, Jobs und Projekte nicht in erster Linie wegen des Geldes machen, sondern weil sie sich richtig anfühlen. Gleichzeitig verstärkt schauen, dass nicht immer mehr von dem zusammenkommt, was sich falsch anfühlt. Was falsch ist. Soll nicht heißen, dass ich, behütetes Killesberg-Baby qua Geburt, auf meine alten Tage zum Klassenkampf von unten aufrufe. Genau genommen heißen Killesberg-Babys ja auch nicht so, weil sie auf dem Killesberg geboren wurden, sondern weil sie dort aufgewachsen sind – Hausgeburten in den 60er und 70er Jahren ohnehin Ausnahme, auf der Stuttgarter Halbhöhe zumal. Frauenklinik damals, mitten im Kessel, was sonst bzw. sonschd?!
Aber auch mit eher sorgenfreier Jugend im pechschwarzen Stuttgart und eher liberaler Grundeinstellung muss man sich nicht wegducken, wenn es darum geht, dem rechten Rattenpack Einhalt zu gebieten. Man muss kein kämpfender Brigadist sein um zu kritisieren, dass der Staat sich überall aus der Verantwortung stiehlt, Bereiche ungebremst privatisiert werden. Der Staat ist kein Profit Center, der Sozialstaat schon gleich dreimal nicht. Auch wenn man nicht zu den Gründungsmitgliedern von ATTAC oder Greenpeace gehört, kann man sich dafür einsetzen, dass die Ozeane vom Plastikmüll befreit werden. Oder, regional: Muss man, bloß weil man mitsamt seiner Kinder relativ sorgenfrei lebt, widerspruchslos mitansehen, wie die Kultusministerin seines Bundeslandes das Bildungssystem vor allem für die weniger Sorgenfreien nachhaltig in Trümmer legt? Ein Werk dies übrigens, das schon ihre parteipolitisch bunteren Vorgänger mit Vehemenz begonnen hatten. Oder lokal: Muss man, so als Heidelberger, der man mittlerweile geworden ist, grinsend dabei zuschauen, wie gewisse, örtlich prominente Politiker einen auf volksnah machen und gleichzeitig, im so genannten langen Manfred residierend, unter dem Deckmantel der Förderung der Kreativwirtschaft die halbe Stadt an die Chinesen verscherbeln? Und so weiter und so fort, an jeder Ecke mindestens zwei weitere Themen, bei denen man sich engagieren könnte, kann jeder für sich selbst schauen, wo er am meisten Dampf reinlässt.
Ohne dass es jetzt Richtung Romantik vollends mit mir durchginge: Ich für meinen Teil muss das alles nicht. Ich muss nicht tatenlos zuschauen, und ich muss mich auch nicht wegducken. Und ich hoffe, die Mehrheit meiner Mitmenschen muss es auch nicht. Und natürlich wird hier auch in Zukunft immer wieder der gewohnte Nischenkontent zum VfB Stuttgart abgesondert, keine Frage. Und vielen Dank auch für all die Glückwünsche zu meinem Geburtstag gestern. Habe mich sehr darüber gefreut.