By the way 356 – was der Fußball sich einbildet, frage ich!

Manchmal könnte man meinen, der Fußball merke gar nicht, wie asozial er ist. Geworden ist, vielleicht. Mit „der Fußball“ sind hier all diejenigen gemeint, die ihn täglich vor unser aller Augen spielen. Beziehungsweise ganz viele von ihnen. Und diejenigen, die über ihn reden, im Fernsehen vor allem, die sind natürlich auch gemeint. Aber von denen haben die allermeisten früher ja selber höherklassig gekickt.

Nun ist jemanden oder gleich eine ganze Sportart beziehungsweise die Mehrzahl der diese Sportart praktizierenden männlichen Wesen beziehungsweise vor allem die sie höherklassig und täglich im TV praktizierenden jungen Männer als asozial zu bezeichnen ja vergleichsweise starker Tobak. Aber was will man machen? Was soll man anderes sagen? Die Beweislage ist geradezu erdrückend und tagtäglich im TV von und vor einem Millionenpublikum zu sehen.

Junge Schnösel mit teuren Kopfhörern und schlechten Manieren rotzen wild durch die Gegend. Halten sich für was Besseres und plustern sich bei jeder noch so nichtigen Gelegenheit auf. Werfen sich den Ball absichtlich aneinander vorbei, rennen bei der kleinsten Kleinigkeit auf den Schiedsrichter zu, brüllen ihn mit weit aufgerissenen Augen an, fassen ihn an, rempeln ihn an, ihre Gegenspieler natürlich auch, suchen den unfairen Vorteil wo immer sie können, lügen bei jeder Gelegenheit, lassen sich fallen, simulieren große Schmerzen, schinden Karten für den Gegner und so weiter und so fort. Und das alles ohne auch nur den kleinsten Ansatz von Unrechtsbewusstsein. Warum sollten sie auch? Die Experten im TV und sonstwo fordern ja ständig größtes Verständnis von uns allen für diese bedauernswerten jungen Leute. Das macht er clever, sich da fallen zu lassen. Er holt einen Freistoß raus, in aussichtsreicher Position. Er sucht den Kontakt, aber er wird auch getroffen. Es geht doch um so viel. So viel steht auf dem Spiel. Und all die Emotionen! Lasst doch die jungen Leute ihren Sport treiben, macht doch diesen wunderschönen Sport nicht kaputt, indem ihr sie und ihn zu reglementieren sucht mit gelben Karten, wo keine gelben Karten nötig sondern diese vielmehr ein Witz sind. Habt doch gefälligst mehr FINGERSPITZENGEFÜHL!

Und weil die, die so etwas im TV sagen, manchmal aufgrund jahrelanger Ausbildung sich etwas gewählter ausdrücken können als die noch kickenden jungen Kollegen, klingt das manchmal durchaus elaboriert, was sie sagen. Als ob es geradezu eine vernünftige Forderung wäre, die jungen Assis auf dem Platz doch bitteschön weiter gewähren zu lassen wie bisher. Also dass die sich weiter vor dem Schiri aufführen dürfen wie die Affen. Und dass die weiter simulieren und unfair und halt einfach Assis sein dürfen. Ey Alter ich bums Deine Mutter! Ey Schiri der hat meine Mutter beleidigt ich schwör, ey Alter Du bist tot!

Und dann wundern sich manche, warum die jungen Leute in der Schule und im Verein und auf der Straße genauso agieren wie die Assis auf dem Platz, die jeden Tag im Fernsehen oder auf der Konsole kommen. Und dass die Assis auf dem Platz mitunter sogar den Gegner niedertreten oder den Schiri gleich umnieten. Und dass in den unteren Klassen, wo nicht die großen TV-Kameras stehen, dass sich da auch die Zuschauer direkt mal einmischen, kein Zaun, der sie dran hindern könnte. Tolles Thema auch Fußballfans auf Auswärtsfahrt. Oder manches Spruchband in der Kurve. Oder mal schön grapschen im Gedränge. Nicht nur auf dem Platz liegt viel im Argen.

Da frage ich mich doch, was es überhaupt in Schutz zu nehmen gibt? Was es überhaupt zu entschuldigen gibt?! Meint der Fußball tatsächlich, er habe die Emotionen exklusiv, und im Fußball und sonst nirgends sei Emotion gleichbedeutend mit asozialem Verhalten? Sind im Fußball Assis ok, in allen anderen Mannschaftssportarten aber nicht? American Football, Rugby, Handball, Basketball, Volleyball, Hockey, etcpp... überall ist der Schiri unantastbar, überall wird sich zivilisiert benommen. Obwohl da auch Emotionen sind. Obwohl es da auch um ganz viel geht. Und wer jetzt mit Nischensport kommt und meint, das interessiere doch keine Sau, wer Hockeymeister wird – Sonntag Nacht den Superbowl gesehen? Die verdienen ein vielfaches unserer Bundesliga-Assis. Und die sind auch keine Einsteins, ganz im Gegenteil. Oder Rugby, grade laufen die Six Nations. Handball-EM vor Kurzem. Mindestens genauso körperliche Sportarten wie der Fußball, mindestens. Voller Emotionen, voller Adrenalin, Deutschland gegen Kroatien ich schwör, beim Handball wird auch schon mal simuliert, und ohne echte Hurensöhne im Team gewinnst Du keine Titel, siehe deutsche Nationalmannschaft. Aber den Schiri lassen sie in Ruhe.

Was bildet sich der Fußball ein, frage ich. Und hoffe schwer, dass sie es irgendwann, eher heute als morgen, merken, dass sie es übertrieben haben. Dass sie es zu weit haben kommen lassen. Denn eigentlich ist er ja schon geil, der Fußball. Wenn er nur nicht so asozial wäre. Und wenn der VfB endlich wieder besser kicken täte.